[Konrad Kirchenberg 04] • Sterbezeit by Horst Norbert

[Konrad Kirchenberg 04] • Sterbezeit by Horst Norbert

Autor:Horst, Norbert [Horst, Norbert]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman-Krimi
ISBN: 9783442464876
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2008-08-11T00:00:00+00:00


16 Uhr 17

Die Tropfen des Sprühregens legen sich aufs Gesicht wie kleine Tiere. Frau Özdemir vorne führt die Prozession an, dahinter Staatsanwalt Nagel und Frau Dr. Richter, der Rest. Oh, schaurig ist es, durchs Moor zu gehen, wenn die Gräser ranken am Strauche. Klingt komisch. Ranken kam vor, Strauch auch, aber Gräser ist falsch. Zweige. Oh, schaurig ist es, durchs Moor zu gehen, wenn die Zweige … Irgendwie mit ranken und Strauche, das ist sicher. Und heißen tut es »Knabe im Moor«. Wenn die Ranken hängen am … Die roten Lichter auf den Gräbern verschwinden im Nebel, als trieben sie auf dem Wasser, eine Krähe nutzt das letzte Licht, landet auf einem nackten Ast, schreit einmal kurz. Was hat Mätzler immer gesagt? Wenn auf jedem Grab, in dem ein Ermordeter liegt, ein Licht brennen würde, wären unsere Friedhöfe hell erleuchtet. So ungefähr könnte das dann aussehen. Sind das die Lichter, oder bedeuten diese hier was anderes? Bei den Gräbern mit Licht sind die Seelen noch auf Wanderschaft, vielleicht. In Tibet erzählen die den Toten doch auch noch tagelang, wo sie langgehen müssen, rechts, links, rechts und dann am Fluss lang. Letzter Kiosk vorm Nirwana. Vielleicht sind es ja gar keine Tage, die man wandert, sondern Wochen. Oder Monate. Vielleicht verirren sich ja manche auch.

Auf dem asphaltierten Weg steht der Leichenwagen, aus dem Dunst tauchen die Scheinwerfer auf, der Bagger sieht aus wie eine riesige Gottesanbeterin. Die beiden Gärtner rauchen, reden mit einem Hünen im schwarzen Mantel und schwarzer Hose, wahrscheinlich der Bestatter. Sie werfen die Kippen auf den Erdhaufen, begrüßen ihre Chefin.

»Kleines Problem, Frau Özdemir.«

Er zeigt in die Grube, zwei Deckel ragen ein Stück aus der klebrigen Erde, der linke leicht eingedrückt.

»Wir haben nach Plan gegraben, haben sogar noch mal nachgemessen, aber das angegebene Maß liegt genau dazwischen.«

Sie klappt ihre Mappe auf, liest, lässt sich vom Gärtner noch einmal den Plan zeigen. Mit einem Schulterzucken dreht sie sich um, kommt.

»Es liegen nur zwei Jahre zwischen den beiden Beerdigungen, da können wir aus dem Zustand des Sarges auch nichts Genaues sagen. Das eine ist Ihre Bahnleiche, das andere laut Akte eine Tote aus der Lahn, die auch nicht identifiziert wurde. Kommen wir wohl nicht drum herum, in beide zu sehen.« Sie geht wieder zu den Gärtnern. »Mit welchem fangen wir an, Herr Krause?«

Der ältere der beiden Gärtner legt den Kopf schief, öffnet die Hände.

»Zählen wir es aus.« Er stellt sich davor. »Eene mene muh, und raus bist du. Mit dem rechten.« Über die Schulter. Hat er gar nicht spaßig gemeint, wie es aussieht.

Sie greifen sich die Spaten, rutschen halb in die Grube. Der jüngere findet keinen Halt, fällt auf die Seite, sein Fuß drückt durch den Deckel. In aller Ruhe zieht er ihn wieder raus, hilft dem alten beim Buddeln. Sie graben den Sarg rundherum frei, fassen mit zwei Hacken darunter, ziehen ihn hoch. Der Lehmboden hält ihre Stiefel fest, es schmatzt bei jedem Schritt. Sie stellen die Kiste mit Mühe auf den Rand des Grabes. Hat er eigentlich ganz gut überstanden, die dreißig Jahre, manche sind schon nach fünfzehn völlig eingefallen.



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